v.lks.: Jürgen Ortmüller (WDSF-Gründer u. Geschäftsführer), Oscar- und Bambi-Preisträger Ric O'Barry (WDSF-Kuratorium), Undine Kurth (MdB, parl. Geschäftführerin Bündnis90/Die Grünen), Maria Kaminski (Bundesvorsitzende autismus Deutschland e.V.)

Offener Brief des WDSF an Bundeskanzlerin Angelika Merkel (CDU), Herrn Walter Steinmeier (SPD) und Herrn Guido Westerwlle (FDP)

August 2009

Sehr geehrte Frau Merkel, sehr geehrter Herr Steinmeier, sehr geehrter Herr Westerwelle,

heute möchte ich Sie über eine Aktion informieren, die ich als Geschäftsführer des Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) zusammen mit der Organisation ProWal mittrage und initiiere. Leider hat die CDU/CSU zusammen mit der SPD trotz unser sehr intensiven Bemühungen i.S. Tierschutz, speziell bei unserem Thema des Schutzes der noch in drei Zoos gefangen gehaltenen Delfine in Deutschland, völlig versagt. Auf unserer Kundgebung am 09. Mai 2008 auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor forderten wir von der Bundesregierung und den Bundestagsparteien ein ausnahmsloses Importverbot für Wale und Delfine nach Deutschland. Für die SPD und die CDU/CSU (Dr. Peter Jahr) sprach die Abgeordnete Mechthild Rawert auf unserer Veranstaltung (http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2008-05-09/importverbot_von_delfinen_fuer_delfintherapie_bereits_umgesetzt) , die wir zusammen mit dem Ex-TV-Trainer von Flipper, Richard O’Barry, und der Meeressäuger-Umweltschutz-Organisation ProWal von Andreas Morlok, durchgeführt hatten.
Der Bundestagsantrag von Bündnis90/Die Grünen bezüglich unserer Forderung, „die Gefangenschaft von Delfinen unverzüglich zu beenden“, wurde im Mai diesen Jahres im Bundestags mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD abgelehnt. Wir werden bei unserer Forderung des erforderlichen Importverbots von über 200 Organisationen und Vereinen alleine in Deutschland unterstützt (s. Solidaritätsliste unter http://www.walschutzaktionen.de/155501/334601.html). Tausende aus der Bevölkerung unterstützen ebenfalls unsere Eingabe. Es geht nicht darum, wie es die Abgeordnete Rawert für die Koalitionsparteien in dem eigenen Bundestagsantrag formuliert hat, den „Delfinschutz voran(zu)bringen“ (Drs. 16/12868, 16/9102, 16/13203) und die Haltungsbedingungen in den Delfinarien zu verbessern – es geht darum, diese Haltung von intelligenten Meeressäugern definitiv in Deutschland aufzugeben und die Delfinarien auslaufen zu lassen und parallel die vorhandenen Tiere in ein Freiluftgehege wie z.B.  in Harderwijk/Holland zu entlassen (dort sind z.Zt. 4 Delfine aus deutschen Zoss „geparkt“).

Wie kann die Bundesregierung periodisch gegen den japanischen Walfang intervenieren und gleichzeitig den Import dieser Cetacea nach Deutschland gesetzlich erlauben? Welch ein unverständlicher Widerspruch!

In der sehr wagen Hoffnung, dass dieses Schreiben Sie auch persönlich erreicht, wollen wir als Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) wenigstens darauf hingewiesen haben, dass wir intensiv in den Wahlkampf auch gegen Ihre Partei eingreifen werden.
Die Bild am Sonntag (BamS) und Der Tagesspiegel berichteten bereits jeweils umfangreich über den Aufsehen erregenden Kino-Film "Die Bucht - The Cove" des Mitbegründers des Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF), Richard O'Barry. Im Internet finden Sie den Textartikel auf:

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Flipper-Delfine-Tierschutz;art1117,2873303

http://www.bild.de/BILD/unterhaltung/kino/2009/08/09/delfin-trainer-ric-o-barry-flippers-raecher/dreht-film-die-bucht-the-cove.html

Der Film, der in den USA, Kanada und Australien nach seinem Start immer wieder stehende Ovationen auslöste und inzwischen mehr als 13 Preise erzielt hat, wird in den deutschen Kinos am 22. Oktober 2009 anlaufen. Der spannende öko-Thriller wird mit "Ocean Eleven" verglichen und ist, wie die BamS schreibt, ein Anwärter auf den Oscar (s.a. Spielfilm.de: http://www.spielfilm.de/kino/2985415/die-bucht.html) . Mit versteckten Kameras, unbemannten Flugdrohnen, Infrarot- und Unterwasserkameras wurde eine Spielfilm-Dokumentation realisiert, die das mörderische Gemetzel japanischer Fischer im Delfinfangort Taiji/Japan zeigt. Pierce Brosnan (und u.a. der Sänger Sting) unterstützen die parallel laufende Kampagne für den Wal- und Delfinschutz.

Das WDSF bemühte sich in den vergangenen Jahren in persönlichen Gesprächen mit dem Staatssekretär Takuyo Mikami in der Japanischen Botschaft in Berlin, auch aufgrund der erheblichen Quecksilber- und PCB-Belastungen des Delfinfleischs, die Japaner zum Umdenken zu bewegen. Die Gespräche wurden von unseren Protestaktionen vor der Botschaft begleitet. All diese Bemühungen verliefen jedoch ergebnislos. Das grausame Schlachten und Fangen der Delfine in Japan geht weiter – und nur deshalb, weil die schönsten, stärksten und potentesten Delfine für Stückpreise von bis zu 150.000 US-Dollar an die Delfinarien verkauft werden (s. veröffentlichter Vertrag zwischen Antalya und Taiji auf unserer HP).

Auch in Deutschland gab es bereits Importe aus Japan und in deutschen Delfinarien werden z.Zt. 8 Wildfänge (aus Kuba und Mexiko) von insgesamt 18 Delfinen gehalten.

Wir sind uns sicher, dass der spannende Kinofilm zur Aufklärung der Bevölkerung beiträgt und auch das Bewusstsein über die Besuche von Delfinarien in Deutschland. Der Kino-Film wird in Deutschland ein Millionen-Publikum erreichen, zumal im nächten Jahr voraussichtlich die TV-Freigabe erfolgt und eine weitere Doku-Serie mit Ben Stiller vorbereitet wird. In die Türkei wurden nachweislich Delfine aus Taiji/Japan importiert, sodass ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Kino-Film gegeben ist. Den Kaufvertrag haben wir auf unserer HP veröffentlicht.

Das WDSF hat die erbärmlichen Zustände in den deutschen und türkischen Delfinarien aufgedeckt und dokumentiert. Eine von der TUI auf unseren Druck veranlasste Auditierung durch „Travelife“ führte zu einer umgehenden Herausnahme aus dem Angebot der TUI für den Urlaubsort Belek/Türkei – weitere Delfinarien werden von Travelife geprüft. Die drei Delfinarien in Deutschland sind durch die Ausübung gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen zu schließen, weil es keinen vernünftigen Grund gibt, Delfine in Gefangenschaft zu halten.

Das WDSF ist für die Deutschland-Premiere des Films auf dem Filmfestival Hamburg (vom 24. September - 3. Oktober) eingeladen und wird dies zum Anlass nehmen, gegenüber den Medien auf das Problem der deutschen Delfinarien hinzuweisen und auf den Bundestagsantrag von Bündis90/Die Grünen aus Mai diesen Jahres, „die Gefangenschaft von Delfinen unverzüglich zu beenden“, der von den Regierungskoalitions-Parteien und der FDP entgegen der Fürsprache der Linken abgeschmettert wurde. Stattdessen haben die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit ihren Abgeordneten einen recht nutzlosen Antrag im Parlament eingebracht, den „Delfinschutz voranbringen“, dem auch die FDP zugestimmt hat. Die „illegale“ Einfuhr von Delfinen aus freier Wildbahn soll mit dem angenommenen Antrag kontrolliert werden und die Haltungsbedingungen der Delfine in Gefangenschaft in Deutschland sollen verbessert werden. Damit wird die legale Einfuhr von Delfinen nach Deutschland und die Haltung der Delfine in deutschen Delfinarien unterstützt, obwohl sich im Tierschutzgesetz bereits die Ermächtigung befindet, ein ausnahmsloses Importverbot für Wale und Delfine zu erlassen. Die Parteien von CDU/CSU, SPD und FDP haben hier völlig versagt und nichts Neues für den Tierschutz beigesteuert.

Das WDSF wird anlässlich der nächsten Landtagswahl in NRW ausdrücklich in einer umfangreichen Kampagne von einer Wahl von CDU/CSU, SPD und FDP abraten. Aufgrund des Engagements der Grünen und der Linken in Berlin und der Tierschutzpartei für unsere Forderungen eines ausnahmslosen Importverbots von Walen und Delfinen nach Deutschland und der Schließung der drei vorhandenen Delfinarien in Münster, Duisburg und Nürnberg favorisieren wir diese Parteien.

In Deutschland sind über 1 Million Tierschützer in Organisationen und Verbänden engagiert – und darüber hinaus gibt es sicherlich einige weitere Millionen, die, insbesondere unter Berücksichtigung des Kinofilms, unseren Wahlvorschlägen folgen werden. Zusammen mit der Organisation von ProWal werden wir bis zur Bundestagswahl und im Kommunalwahlkampf (speziell in Münster und Duisburg) unsere Wahlvorschläge propagieren und 1 Million Flyer verteilen. Der Deutsche Tierschutzbund hat sich als Dachverband mit über 800.000 Mitgliedern ebenfalls unseren Forderungen eigenständig angeschlossen und favorisiert die Grünen und die Linke für die Bundestagswahl am 27. September aus Tierschutzgründen.

Wir haben uns in intensiven Kontakten bemüht, mit Ihren zuständigen Abgeordneten, unsere Forderungen zu realisieren – leider vergeblich. Offenbar haben die Abgeordneten nicht berücksichtigt, dass es in der Bevölkerung bei einer Wahl auch vordringlich um Emotionen geht – die insbesondere der preisgekrönte Kino-Film schürt, um einen Stopp der Delfinarien auch in Deutschland zu erreichen – wir werden weiter dafür kämpfen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Ortmüller

WDSF-Geschäftsführer



Nachtrag zu dem Schreiben:

24.09.2013 - Wahldebakel - FDP scheitert (auch) an Hagener Delfinfreunden (business on.de)